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Wider das Vergessen – Gedenkfeier anlässlich des Volkstrauertages 2010 (15.11.10)

Rubrik:

Veranstaltungen

Herausgeber:

Gemeinde Oftersheim - Gemeindeverwaltung

Ort:

Friedhof

Volkstrauertag

Volkstrauertag

Bild 1 Volkstrauertag 2010

Bild 1 Volkstrauertag 2010

Bild 2 Volkstrauertag 2010

Bild 2 Volkstrauertag 2010

Bild 3 Volkstrauertag 2010

Bild 3 Volkstrauertag 2010

Zur Gedenkfeier anlässlich des diesjährigen Volkstrauertages hatte die Gemeinde am Sonntag, 14.11.2010, auf den Friedhof eingeladen, um zusammen mit Bürgermeister Helmut Baust, den Mitgliedern des Gemeinderates, den Ehrenbürgern Bürgermeister i.R. Siegwald Kehder und Altgemeinderat Rudolf Uebelhör, den Rektoren der beiden örtlichen Schulen Georg Häffner und Judith Herden und etlichen Vereinsvertretern, den Mitwirkenden des Deutschen Roten Kreuzes und der Freiwilligen Feuerwehr, der Marinekameradschaft, dem Gesangverein Germania und dem Musikverein sowie Schülerinnen der Theodor-Heuss-Schule den Toten der beiden Weltkriege sowie den Opfern der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten zu gedenken. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger waren der Einladung gefolgt.

Eröffnet wurde die diesjährige Feierlichkeit zum Volkstrauertag durch den Musikverein unter Leitung des Dirigenten Valentin Demeshko mit dem Musikstück „Misere“.

Bürgermeister Helmut Baust hielt in der Friedhofshalle seine Begrüßungsrede, in der er an die Schicksale der Opfer und Hinterbliebenen aller Kriege erinnerte.

Die Schülerinnen Laura Kumpf, Denise Münkel und Lara Schweizer der Klasse 9 a der Theodor-Heuss-Schule trugen zusammen mit ihrer Lehrerin Gertrud Hillebrandt-May bewegende Fürbitten zum Thema Frieden vor.

Gesanglich umrahmten in diesem Jahr der Gesangverein Germania unter der Leitung von Michael Leibfried mit den Liedern „Näher mein Gott zu dir“ und „Schlaf wohl in süßem Frieden“ und der Musikverein Oftersheim mit den Musikstücken „Über allen Gipfeln ist Ruh“ und „Ich hatt einen Kameraden“ die Gedenkfeier.

Auch in diesem Jahr fand Friedrich Vobis eindringliche Worte zum Volkstrauertag in seiner Gedenkansprache, die nachstehend abgedruckt ist.

Im Gedenken an die vielen Toten, Vermissten und Opfer fand im Anschluss an die Feierstunde die Kranzniederlegung am Ehrenmal durch Bürgermeister Baust und Vertreter des VdK und der Marinekameradschaft statt. In stillem Gedenken hielten die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr, des Deutschen Roten Kreuzes und der Marinekameradschaft Ehrenwache.

An dieser Stelle sei nochmals allen Mitwirkenden zum Gelingen der diesjährigen Gedenkfeier anlässlich des Volkstrauertages von Herzen gedankt.

Gedenkansprache zum Volkstrauertag 2010 von Herrn Friedrich Vobis

Sehr geehrte Besucher dieser Gedenkstunde,

65 Jahre nach Kriegsende begehen wir heute diesen Gedenktag. Das heutige Datum, der 14. November, steht aber nicht nur für den diesjährigen Volkstrauertag sondern auch für den 70. Jahrestag  des Bombenangriffs auf die englische Stadt Coventry. In jener Nacht wurden dort die mittelalterliche Kathedrale und 4.000 Häuser zerstört. 550 Menschen kamen dabei ums Leben.

Gut vier Jahre später, der Krieg hatte schon Millionen Tote, Soldaten und Zivilisten in ganz Europa gefordert, Hunger und Elend breiteten sich immer mehr aus, da wird im Februar 1945, nachdem schon fast alle deutschen Städte nur noch Trümmerwüsten sind, in einer Nacht die mit Flüchtlingen überfüllte Stadt Dresden in Schutt und Asche gelegt mit zigmal mehr Toten als in Coventry. Dann stürzte auch noch die steinerne Kuppel der barocken Frauenkirche ein, in der viele Menschen Zuflucht gesucht hatten. Zwei Städte, Coventry und Dresden, die ein schlimmes Schicksal miteinander verbindet, von dem ich nach mehreren Besuchen in Dresden außerordentlich beeindruckt bin. Ich werde nachher noch darauf zurückkommen.

In der Feier zum Volkstrauertag geht es nicht darum, ein Heldentum zu glorifizieren, und politisch auszuschlachten, wie das beim Heldengedenktag in meiner Jugend der Fall war. Diese Feier soll auf Opfer hinweisen, soll die Erinnerung wach halten, wie schnell politisch gewollter nationaler Hass unter den Menschen zu Streit und Krieg, zu Not und Elend führen können.

Wir wollen aber auch an diejenigen Mitbürger denken, die heute irgendwo in der Welt als deutsche Soldaten den Kopf hinhalten müssen. So z.B. an den Sanitätsfeldwebel Florian Pauli, der dieses Jahr am 8. Oktober durch einen terroristischen Selbstmordanschlag in Afghanistan als 44. deutscher Soldat sein Leben verlor. Immer wieder werden dort junge Menschen mit Hass angefüllt und dazu verführt, sich im Wahn für eine Ideologie selbst in die Luft zu sprengen, um dabei möglichst viele von der anderen Seite zu vernichten.

Warum ist es so schwer, andere Meinungen zu akzeptieren und nicht mit Waffen aufeinander einzuschlagen? Verbirgt das Erbgut unseres Menschseins unsere Unvollkommenheit und unsere oft fehlerhafte oder falsche Auslegung der Werte von Recht und Freiheit? Oder schieben wir manches einfach ab auf die Frage "Wie kann Gott dies zulassen"? Oder sollte ich sagen "wenn es ihn denn überhaupt gibt, dies zulassen?". Diese Formulierung darf sich jeder selbst aussuchen.

Ich muss mich bei dieser Frage als Nichttheologe zu einem etwas heiklen Thema vorwagen. In den Arbeitsunterlagen des VDK, in denen einige Anregungen bekannter Persönlichkeiten wiedergegeben werden, habe ich Bemerkungen dazu gefunden und ich meine, gerade weil es ein Coventry und ein Dresden gibt, ist diese Frage besonders interessant, obwohl heute die Gotteshäuser mehr Museen als Stätten der Sammlung oder Orte religiöser Handlungen geworden sind. Beide Städte stehen meines Erachtens für Überwindung, für Wiedererstehung, für immer wieder neue Hoffnung auf neues Leben.

Wie kann Gott dies zulassen? Diese anklagende Frage hallt durch die Jahrhunderte. So haben viele gefragt nach den Weltkriegen mit Tod und manchmal jahrelanger Gefangenschaft, nach den Konzentrationslagern, den Vertreibungen und nach millionenfacher Flucht. Die Lesung zu diesem Thema aus dem Lukasevangelium sagt zunächst nichts zu dieser Frage, rechnet aber damit, dass schreckliche Gräuel mit Krieg und Unruhen, mit Erdbeben und Seuchen bevorstehen. Es weist darauf hin, dass die Welt so ist wie sie ist. Und in geradezu apokalyptischen Bildern wird das Ende aller menschlichen, religiösen und politischen Ordnungen beschrieben.

Aber, und das ist das Entscheidende, es wird dazu eingeladen, mit all der Angst und der Klage der Verzweiflung einen Schritt weiter zu gehen. "Bleibt standhaft, lasst euch nicht beirren, lasst euch nicht erschrecken", heißt es da. Das ist eine Umwandlung dieser Frage in eine Hoffnung. Diese Hoffnung antwortet gewiss nicht auf das "Warum". Sie beantwortet nicht die Frage, warum junge Soldaten in der Hölle Stalingrads enden mussten, sondern bestätigt, dass es das Leiden, den Terror, die Gewalt und den Tod gibt.

Aber es ist auch etwas in uns, das darüber hinaus zeigt, das Mut macht, das immer wieder neue Kräfte in uns zu wecken vermag. Ich denke da auch vor allem an die vielen Bekenner und Blutzeugen: an Edith Stein, Alfred Delp oder Dietrich Bonhoeffer. Sie haben im Augenblick ihrer Vernichtung weit über den Tod hinausgeschaut. Und Albert Schweitzer hat uns schon lange gezeigt, dass uns zugemutet wird Verantwortung zu übernehmen, damit die Welt ein wenig menschlicher wird. Er hielt sich vor mehr als 100 Jahren schon an den Gedanken, dass es jedem von uns aufgetragen sei, ein Stückchen von diesem Elend in der Welt zum Aufhören zu bringen.

Ich komme zurück auf die beiden erwähnten Städte. Vielleicht hat der eine oder andere von Ihnen in der Frauenkirche das so genannte Coventry-Gebet miterlebt. In der Weihnachtsansprache des Jahres 1940 rief der damalige Probst Richard Howard in einer vom britischen Sender BBC direkt aus den Ruinen der Kathedrale übertragenen Weihnachtsmesse zur Versöhnung auf. "Vater vergib" betete er wie am Morgen nach dem Bombenangriff und ließ dieses "father forgive" in die Chorwand der Ruine einmeißeln. Er wusste wohl, wie Schuld auf beiden Seiten der Fronten in gegenseitige Verflechtungen verwickelt ist. Auf acht vorgetragenen Bitten folgt stets der Ruf "Vater vergib". Das Nagelkreuz von Coventry, zusammengefügt aus drei Zimmermannsnägeln aus der Balkendecke der zerstörten Kathedrale, ist seitdem ein Zeichen für Frieden und Feindesliebe. Friede entsteht, wo Menschen erkennen, dass sie aneinander schuldig werden. Der heutige Tag soll uns ermutigen, immer wieder neu den Frieden zu suchen und ihn als hohes Gut zu bewahren.

Friedrich Vobis